Beitrag von Andreas Müller, einer der stellvertretenden Vorsitzenden sowie Lehrlingsbeauftragter des Betriebsrats allgemeines Personal der Universität Wien mit einem Interview mit den Mandatar*innen des Jugendvertrauensrats (JVR), Ilva Lichtnecker und Sebastian Duhs.

An der Uni-Wien werden Lehrlinge in den verschiedensten Berufen ausgebildet. Durch die Corona-Krise mussten nahezu alle Auszubildenden, wie alle anderen Mitarbeiter*innen auch, ins Homeoffice wechseln. Gerade in der Ausbildung keine leichte Übung.

Bei handwerklichen Berufen ist eine Ausbildung ohne Präsenz nahezu unmöglich. Bis auf einige wenige theoretische Grundlagen, als Zusatz zu Berufsschul-Inhalten, war ein Arbeiten vor Ort unerlässlich. Im gärtnerischen und tierpflegerischen Bereich wurden Lehrlinge deswegen auch in den naturgemäß notwendigen und systemerhaltenden Betrieb eingebunden. Im Labor war die Situation durch Alleinarbeitsverbote noch schwieriger.

Doch auch im Homeoffice war die Lage nicht immer klar und friktionsfrei. Die leider von überforderten Vorgesetzten oftmals gegenüber Mitarbeiter*innen gemutmaßte „lockere Arbeitsmoral“ war bereits im ersten Lockdown immer wieder ein Thema in unserer Betriebsratsarbeit. Dieser Vorwurf schien gegenüber Auszubildenden teils noch stärker vorhanden zu sein. Auch hier musste geschlichtet, informiert und aufgeklärt werden.

Trotz dieser schwierigen Zeiten in der Lehrlingsausbildung, wurde an der Uni Wien erfolgreich ein neuer JVR gewählt.

In einem kurzen Interview sollen nun die direkt Betroffenen zu Wort kommen und ihre Erfahrungen mit der Lehre in Corona-Zeiten sowie ihre Perspektiven für die zweijährige Funktionsperiode darlegen:

AM: Ihr habt euch in dieser schwierigen Zeit entschieden JVR zu werden, was waren eure Beweggründe dafür?

SD: Also in meinem Fall habe ich bei der Funktionsperiode des letzten JVR ein wenig Einblick in die Tätigkeiten bekommen und ich fand es spannend was hier getan wird und daher wollte ich mich tiefergehend mit der Thematik Jugendvertretung befassen.

IL: Dem kann ich mich nur anschließen, auch ich interessiere mich für diese Inhalte und möchte mich aktiv einbringen, vielleicht gerade in dieser besonderen Zeit.

AM: Wie habt ihr das Ende eurer Lehrzeit bzw. eure LAP (Lehrabschlussprüfung) in dieser besonderen Zeit, in der Corona-Krise erlebt?

IL: Dadurch, dass der erste Lockdown gerade in unsere Vorbereitungsphase der LAP fiel, war das Ganze schon mit sehr viel Unsicherheit verbunden. Einerseits waren die letzten drei Berufsschulmonate nur mehr im Homeschooling möglich, andererseits entfiel ebenso an der Arbeitsstätte ein großer Teil der praktischen Vorbereitung. Auch wurde seitens der Berufschule die entgangenen Praxisstunden nicht nachgeholt. Man musste sich gewisse Fertigkeiten die zur LAP abgeprüft wurden selbst organisieren. Das war sehr herausfordernd.

SD: Besonders im ersten Lockdown waren auch die zuständigen Stellen wie eben z.B. die Berufsschule doch recht überfordert und so waren die Homeschooling- Aufträge oft sehr unkoordiniert. D.h. manche hatten gar keine Aufträge, bei manchen Lehrern wurde bereits in zwei Stunden eine Abgabe erwartet. Insgesamt wusste man oft nicht was von einem erwartet wurde, bzw. wurde dies auch nicht deutlich kommuniziert.

AM: Abgesehen von der Corona-Situation, wie ging es euch insgesamt mit der Berufsschulausbildung in eurer Lehrzeit?

IL: Es ist auf jeden Fall doch auch eine Glückssache. Es gibt viele kompetente und engagierte Lehrer wo man vieles mitnehmen kann, andere überlassen die Schüler leider sich selbst, da werden Arbeitsblätter ausgeteilt und der Lehrer liest nebenher Zeitung…

SD: Zum Teil werden auch Lehrinhalte benotet, die nie vermittelt wurden. Man müsste die Inhalte immer wieder evaluieren.

AM: Wie empfandet ihr die Uni Wien als Ausbildungsstätte?

IL: Gleich vorweg muss ich sagen, dass wir nur unsere unmittelbare Ausbildungsstätte, sprich den Botanischen Garten beurteilen können. Hier habe ich mich persönlich sehr wohl gefühlt und es wurden auch unsere Rechte als Lehrlinge immer gewahrt. Ansonsten ist es hier ähnlich wie in der Berufsschule: es gibt Ausbildner die besser und andere die schlechter Inhalte vermitteln.

SD: Wir wurden sehr fair behandelt (z.B. Urlaubsplanung, Krankenstände usw.) und konnten mit Problemen sowohl zu unseren Ausbildnern als auch zu JVR und Betriebsrat gehen wo wir auch ernstgenommen wurden.

AM: Ilva, du meintest ihr könnt nur eure unmittelbare Ausbildungsstätte beurteilen, was einerseits klar ist, andererseits ein bisschen so klingt, als würde dir die Vernetzung zu anderen Lehrlingen der Uni Wien fehlen…

IL: Ja das stimmt, die anderen Lehrberufe sind eigentlich für uns kaum präsent. Ich wusste z.B. nicht, dass es an der Uni Wien auch Tierpflegerlehrlinge gibt. Klarerweise sitzen wir Lehrlinge an den verschiedenen Standorten alle gewissermaßen „in einer Blase“ und die Möglichkeiten des Austausches wie z.B. die Jugendversammlungen werden leider von den jungen Kolleg*innen wenig angenommen.

SD: Und genau das wollen wir ändern! Wir wollen die gesetzlich vorgeschriebenen Jugendversammlungen nicht nur als eine Pflichtübung absolvieren, sondern wir möchten daraus etwas Spannendes und Lebendiges machen 😉

IL: Unsere Vision, wenn die Coronasituation es wieder zulässt, wäre die Jugendversammlungen tatsächlich an nahezu allen Universitätsstandorten reihum abzuhalten und die Arbeit dort mit interessanten Führungen vorzustellen bzw. erklärt zu bekommen. Und darüber hinaus auch mal die Lehrlingskolleg*innen bei einem kleinen privaten Treffen besser kennenzulernen.

AM: Das klingt wirklich gut! Ich hoffe ihr behaltet euch euren „Anfangselan“ und schafft es umzusetzen was euch wichtig ist.

Alles Gute dafür und danke für das Gespräch!

Kurze Steckbriefe der beiden JVR- Mandatar*innen:

Ilva Lichtnecker, geboren 1997 in Wien
Gärtnerlehre im Botanischen Garten der Uni-Wien
Lehrabschluss im September 2020

Sebastian Duhs, geboren 2002 in Wien
Gärtnerlehre im Botanischen Garten der Uni-Wien
Lehrabschluss im September 2020